Sind Schriftsteller einsame Menschen?
Das stimmt nur bedingt und schon gar nicht für jeden Autor zu jeder Zeit. Es gab Zeiten, in denen ich wirklich einsam am PC saß und tippte, lediglich von meiner Schreibmusik und einer Tasse Tee/einem Glas Wein begleitet. Es gab aber auch Nächte, die ich mit einer ganzen Horde von Schreibwütigen verbracht habe. Aber eins nach dem anderen.
Mein Debüt, „Seraphim: Carpe Noctem“, schrieb ich im Geheimen. Niemand, nicht einmal meine Familie, ahnte, was ich abends trieb, wenn die Kinder – und oft genug auch mein Mann- schliefen. Nur nachts hatte ich die benötigte Ruhe, mich auf meine kleine Geschichte einzulassen, mich von meinen Protagonisten mitreißen zu lassen und ungestört zu schreiben. Im trubeligen Alltag mit zwei Kleinkindern war das tagsüber nicht möglich. Daher genoss ich diese ruhigen Stunden sehr. Aber ich saß eben auch alleine, hatte niemandem, mit dem ich meine „Reisen“ teilen konnte. Das war auch nicht nötig, denn an Plotlöcher (Abrisse im Handlungsablauf) oder Logikfehler dachte ich damals noch genauso wenig wie an das Fertigstellen eines Manuskriptes. Daher gab es auch keinen Bedarf, meine Geschichte mit jemandem durchzukauen. Ich wollte ja „nur für mich“ schreiben, nicht „für jemand anderen schreiben“. Für mich war die Geschichte perfekt, so wie sie war. Das sie das nicht ist, wurde mir erst bewusst, als mein Manuskript zu Carpe Noctem ein Lektorat bekam. Jemand arbeitete mein Geschriebenes Satz für Satz durch, korrigierte, machte Anmerkungen und strich Unnötiges heraus. Ich lernte dabei sehr viel. Ab diesem Zeitpunkt schrieb ich nicht mehr nur das, was mir gerade durch den Kopf ging, sondern begann bereits im Vorfeld des Schreibens darauf zu achten, wie sich die Geschichte entwickelt, sich die Charaktere verändern und welche (Helden-)Reise sie durchleben. Und plötzlich brauchte ich jemanden, mit dem ich über die aufkommenden Schreibproblemchen reden konnte. Handelt meine Vampirin stringent? Hilfe!Wie soll die Geschichte hier bloß weitergehen? Ich habe gerade keine Idee. Kann ein Motorradfahrer tatsächlich mit seiner Maschine so über die Straße schlittern? … Natürlich kann man dazu Freunde und Familie bemühen und sich helfen lassen. Manchmal ist es aber auch gut, andere Schreibwütige zu fragen, also Kollegen, Lektoren, oder Blogger/Leser, sofern man sich schon eine Fanbase aufgebaut hat.
Gemeinsam oder doch lieber einsam?
Eine Möglichkeit, Gleichgesinnte zu finden und sich mit ihnen auszutauschen, sind Schreibcommunitys. Ich selbst nehme gelegentlich an Schreibnächte teil. Hier organisieren sich Autoren und hauen an einem vorher vereinbarten Wochenende gemeinsam in die Tasten. Eine besonders schöne Möglichkeit ist die Schreibnacht (www.schreibnacht.de), zu der es neben den einzelnen Schreibphasen auch Interviews und Schreibspielchen laufen. Solche Communitys können sich positiv auf das Schreibpensum auswirken und helfen, die eigene Geschichte voranzubringen. Jedoch können solche Events, abhängig vom Thema, auch sehr ablenken. Alternativ kann man sich z.B. über Facebook oder WhatsApp mit Kollegen verabreden und eine gemeinsame Schreibzeit vereinbaren. Das motiviert, bringe den inneren Schweinehund zum Schweigen, bzw. zum Schreiben und macht jede Menge Spaß.
Mach dein Ding wie du es willst!
Auch der NaNoWriMo, der National Novel Writing Month, kann eine gute Möglichkeit sein. Jedes Jahr im November schreiben Autoren über die ganze Welt verteilt an ihrer Geschichte. Ziel ist es, mindestens 50000 Wörter zu schreiben, bzw. am Ende des Monats einen ganzen Roman fertig zu haben. Ob man sich diesem Druck aussetzen mag/kann, bleibt jedem selbst überlassen. Ich hatte mich vor Jahren schon einmal für den NaNoWriMo angemeldet, dann aber doch einen Rückzieher gemacht. Das Pensum von 50000 Wörtern (1600 oder mehr Wörter pro Tag) erschien mir für meine Lebensumstände zu hoch gegriffen (Damit ihr eine Vorstellung bekommt: Dieser Artikel hier hat etwas über 800 Wörter.). Mein Hauptjob geht gelegentlich auch mal 24/7, da bleibt an manchen Tagen dann einfach keine Zeit mehr fürs Schreiben übrig. Aber ein bisschen ehrgeizig war ich dennoch und machte ohne direkten Kontakt zur NaNo-Community mit. Ich bastelte mir ein kleines Heftchen, in das ich meinen Schreibfortschritt notieren wollte und hielt ein Pensum von täglich 500 Wörter für realistisch, da ich ja auch Tage ohne Wörter ausgleichen musste. Am Ende den Novembers kamen sehr zu meinem Erstaunen 45.000 Wörter zustande. Viel mehr, als ich es anfangs für möglich gehalten hätte. Für dieses Jahr plane ich, wieder beim NaNo mitzumachen. Natürlich wieder intern und mit einem niedrigeren Pensum. Eine kleine Hürde zu nehmen und festzustellen, viel höher springen zu können, ist schließlich viel befriedigender, als zu hoch vorzulegen und zu scheitern. Das mag aber auch daran liegen, dass ich Wettbewerbsgedanken nicht mag. Insofern können solche Events also durchaus weiterhelfen. Sie helfen dir, eine Schreibroutine zu entwickeln, an deiner Geschichte dran zu bleiben. Sie zeigen dir aber auch deutlich, wo deine Grenzen liegen.
Eine generelle Empfehlung für Schreib-Communitys zu geben, wäre unpassend. Jeder führt schließlich ein anderes Leben, jeder hat eine andere Schreibroutine und nicht jeder teilt seine Gedanken/Probleme gerne anderen mit. Aber ausprobieren solltest du es wenigstens einmal. Vielleicht ist es ja genau dein Ding?
Meine Kollegin Janika Hoffmann hat mit Schreibcommunitys tolle Erfahrungen gemacht, die ihr in ihrem Gastbeitrag nachlesen könnt. Viel Spaß beim Lesen.
„Wie schreibe ich meinen Roman fertig?“ – Von Janika Hoffmann
Wer sich diese Frage stellt oder einschlägige Suchmaschinen bemüht, wird mit Sicherheit früher oder später auf den NaNoWriMo stoßen. Die Abkürzung steht für National Novel Writing Month, das Projekt wurde ursprünglich in den USA ins Leben gerufen und findet seit geraumer Zeit jedes Jahr auf der ganzen Welt statt. Das Ziel: Schreib vom 01. bis 30. November mindestens 50.000 Wörter, noch besser deinen ganzen Roman.
Einen ganzen Roman in einem Monat schreiben – das klingt erst einmal nach einer unlösbaren Aufgabe. Als würde ein Säugling, der gerade das Krabbeln gelernt hat, versuchen, den Mount Everest zu besteigen. Ich kann euch verraten: So schlimm ist es nicht. Und es geht auch nicht darum, ruhmreich zu gewinnen oder in Schande zu verlieren. Es geht um die Motivation. Darum, nicht immer neue Ausflüchte zu finden, wieso etwas Anderes gerade wichtiger ist als das Schreiben, oder dass diese Szene sich auch hervorragend für einen anderen Tag aufsparen lässt, wenn man gerade etwas mehr Zeit hat. Überhaupt würden die Sätze morgen ja sicher viel besser gelingen als heute.
Nein! Also, vielleicht, ich kenne euch nicht alle, liebe Leser. Aber ich kenne diese Gedanken nur allzu gut, und wenn ihr tief in euch hineinlauscht, handelt es sich dabei in den meisten Fällen nur um Ausreden. Schreiben ist Arbeit, lasst euch nichts anderes einreden. Aber es soll auch Spaß machen. Je mehr, desto besser! Und ich persönlich muss sagen, dass der NaNo (ja, auch NaNoWriMo lässt sich noch weiter abkürzen 😉 ) sowie der virtuelle und reale Austausch mit Gleichgesinnten dazu ganz stark beiträgt.
Beim NaNo geht es nicht darum, der allerbeste zu sein. Je mehr Leute es über die Ziellinie schaffen, desto besser! Jeder kann ein Gewinner sein. Auch dann, wenn ihr die 50.000 Wörter vielleicht nicht erreicht. Denn ihr habt auf jeden Fall mehr Wörter in eurem Dokument stehen als vor dem NaNo. Und genau darum geht es! Nur allzu oft ist es das Anfangen, das die größten Probleme bereitet. Und dann das Durchhalten.
Ich persönlich schreibe, wenn es nicht gerade einen verdammt guten Grund gibt, jeden Tag. Jeden. Einzelnen. Tag. Warum? Ich weiß, dass ich keine eiserne Disziplin habe, auch wenn sich das vielleicht gerade so liest. Setze ich einen Tag aus, bin ich am Tag darauf versucht, die Pause noch ein wenig länger auszudehnen. Und noch ein bisschen, und noch ein bisschen – und zack, schon ist eine Woche um. Oder gar ein Monat. Und die ersten Schreibversuche danach fühlen sich fast immer furchtbar plump und ungeschickt an.
Für mich ist Schreiben auch eine Frage der Gewohnheit. Wenn ich jeden Tag an meinen Geschichten sitze, ist auch der Einstieg leichter, als wenn ich unregelmäßig schreibe. Ich sitze auch nicht so lange vor dem blinkenden Cursor, ehe ich tatsächlich losschreibe, sondern ich öffne das Dokument und lege los.
Der NaNo hilft euch dabei. Egal, ob ihr schnell oder langsam schreibt, auf dem PC oder handschriftlich, mit Plot oder planlos ins Geschehen. 1.667 Wörter am Tag sind schaffbar. Und wenn ihr einen Tag wirklich mal keine Zeit oder Lust habt, ist das absolut okay. Hauptsache, ihr schreibt dann an einem anderen Tag etwas mehr. Ich kann euch sagen, der Stolz, wenn der Zählbalken sich lila verfärbt, die Aufschrift WINNER darauf prangt und die Organisatoren des NaNoWriMo euch in einer Videoaufzeichnung gratulieren – der ist die Sache wirklich wert.
Macht euch während dieser Zeit auch nicht so viele Gedanken um Perfektion. Erstfassungen sind dafür da, überarbeitet zu werden. Dafür müssen sie aber erst einmal geschrieben werden! An den Feinschliff machen könnt ihr euch im Anschluss. Ein Haus wird ja auch nicht zuerst hübsch angemalt und dann der Grundstein gelegt. Außerdem erwartet euch hinter den Kulissen eine ganze Community. Tausende und abertausende Leute, die gerade an ihren Geschichten schreiben und das gleiche Ziel haben wie ihr. Diese Stimmung ist großartig, online wie offline!
Womit wir auch beim Thema Schreibcommunitys wären. Sollte mir die Schreibweise mit „ie“ aus den Fingern rutschen, entschuldige ich mich schon einmal vorab, denn ich bin auch in einer englischsprachigen Community unterwegs. 😉
Es gibt allein im deutschsprachigen Raum unzählige Foren, Schreibgruppen, Stammtische und weitere Gruppierungen für Schriftsteller. Oft geht es hier auch nicht einfach nur um die Motivation beim Schreiben. Ihr könnt auch viel zum Schreibhandwerk lernen, euch Rat und Feedback zu Ideen einholen, vielleicht sogar jemanden finden, der ein paar Seiten von euch probeliest und ehrlich bewertet. Das kommt ganz auf die jeweilige Community an. Dieses Gemeinschaftliche ist mir sehr wichtig. Ich mag es, mich mit Leuten auszutauschen, die genauso verrückt sind wie ich. Die vielleicht gerade ganz woanders auf der Welt sitzen – und mit denen ich trotzdem an Plotproblemen basteln kann. Oder am Selbstwertgefühl, wenn der innere Lektor gerade wieder einmal sagt, dass die aktuelle Szene sich wirklich schrecklich liest. Aber auch Erfolgserlebnisse, Wünsche und Ideen können ausgetauscht werden. Es können gemeinsame Aktionen zustandekommen, ob nun Geschichten oder auch Lesungen, Messestände oder Recherchereisen.
Ich habe ja schon erwähnt, dass ich auch in einer internationalen Community unterwegs bin. Namentlich ist das die NaNoWriMo-Regionalgruppe aus Sydney, Australien. Im Auslandssemester habe ich viel Zeit mit einigen Leuten aus dieser Gruppe verbracht, und auch online hält der Kontakt nach dreieinhalb Jahren noch immer an. Tatsächlich tausche ich mich fast täglich mit „meinen Aussies“ aus, wir motivieren uns gegenseitig, scherzen über Tippfehler. Und: Wir schreiben. Viel. Ich glaube, wenn ich die SydNaNoers und die Plattform, die wir zum Austausch nutzen, nicht hätte – ich würde nur noch 1/3 so schnell und viel schreiben. Wenn überhaupt. Glaubt ihr nicht? Im NaNo 2015, als ich in Sydney war, habe ich tatsächlich einen Roman (102.000 Wörter und ein paar Zerquetschte) am 01. November begonnen und am 30. November beendet. Der Vorgängerband entstand im NaNo 2013 und erscheint dieses Jahr unter dem Titel „Das Amulett der Greife“ im Talawah Verlag. 😉
Und in diesem Jahr schreibe ich bislang jeden Monat durchschnittlich ein NaNo-Soll, also 50.000 Wörter. Mal etwas weniger, mal ein gutes Bisschen mehr. Zusätzlich zum Hauptberuf. Und mit Spaß an der Sache, weil ich nicht im stillen Kämmerlein tippe.
Alles in allem bieten mir Schreibaktionen und -communitys die Chance, am Ball zu bleiben, meine Motivation zu steigern und gleich doppelt so viel Freude an meinem Beruf als Autorin zu haben. Und ich würde all dies um nichts in der Welt missen wollen.
Welcher Weg für euch der richtige ist, kann ich euch nicht sagen, aber ich kann euch nur raten, viele Dinge auszuprobieren.
Abschließend noch einige Communitys, die (auch) online aktiv sind und die ihr euch anschauen könnt:
– das Regionalforum des NaNoWriMo. Für jede Schreibregion gibt es eines, Deutschland gilt als eine Region und ist auch in den übrigen 11 Monaten des Jahres aktiv (wenn auch nicht so stark wie im November)
– der Tintenzirkel. Deutschlands größtes Autorenforum für Fantasyschreiber (soweit ich weiß). Da es eine kurze Bewerbung zu schreiben gilt, werden Trolle, die nur Werbung abladen und sich nicht austauschen wollen, von vornherein ausgesiebt. Dadurch ist es leichter, sehr tolle Menschen zu kennen.
– PAN. Wieder aus der Phantastik-Ecke, aber da komme ich nun einmal her. 😉 Das Phantastik-Autoren-Netzwerk ist ein Verein, der einmal im Jahr ein großes Branchentreffen abhält und sich on- und offline für die Position der Phantastik in Deutschland sowie die handwerkliche Förderung junger Autoren einsetzt.
Weitere Communitys, die ich nicht persönlich, aber vom Namen her kenne:
– DeLiA. Die Vereinigung deutschsprachiger Liebesromanautor/innen.
– Das Syndikat. Ein Verein zur Förderung deutscher Krimiliteratur.
– Das Schreibnacht-Forum. Auch hier findet viel Austausch statt, außerdem regelmäßig eine Schreibnacht (quasi ein Mini-NaNoWriMo), oft auch mit Special Guest und kleinen Fragerunden.
Das nur als kleine Auflistung der Namen, die mir zuallererst in den Sinn kamen. Es gibt wirklich unzählig viele Communitys – da würde es mich schwer wundern, wenn die passende für euch nicht dabei wäre. Also, viel Spaß beim Erkunden und vor allem beim Schreiben!
Janikas Patreonseite: www.patreon.com/janika_hoffmann
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